Whiplash in Europe

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In den Niederlanden ist Whiplash seit vielen Jahren ein aktuelles und viel diskutiertes Thema. Wie vergleichen sich andere Länder? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Schleudertrauma-Praxis im europäischen Ausland und diskutiert insbesondere die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz, die bis vor kurzem die mit Abstand höchsten Entschädigungssummen bei Schleudertrauma-Ansprüchen zugesprochen hat. Die Quelle der Inspiration für diesen Artikel ist unsere eigene Erfahrung mit internationalen Ansprüchen Handhabung, Kontakte mit ausländischen Green Card Korrespondenten und die Informationen, die sie zur Verfügung gestellt haben.

Aktuelle Entwicklungen in der Schweiz
Guido Denters – Body Injury Claims Manager bei Amlin Europe, Niederlande
In den Niederlanden ist Schleudertrauma seit vielen Jahren ein aktuelles und viel diskutiertes Thema. Wie vergleichen sich andere Länder? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Schleudertrauma-Praxis im europäischen Ausland und diskutiert insbesondere die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz, die bis vor kurzem die mit Abstand höchsten Entschädigungssummen bei Schleudertrauma-Ansprüchen zugesprochen hat. Die Quelle der Inspiration für diesen Artikel ist unsere eigene Erfahrung mit internationalen Ansprüchen Handhabung, Kontakte mit ausländischen Green Card Korrespondenten und die Informationen, die sie zur Verfügung gestellt haben.
„Dieser Artikel ist eine Übersetzung eines niederländischen Originaltextes, der in der Dezember-Ausgabe des PIV-Magazins veröffentlicht wurde. PIV (Personenschade Instituut van Verzekeraars) ist eine von Haftpflichtversicherern gegründete Stiftung in den Niederlanden, deren Ziel es ist, die Qualität der Bearbeitung von Personenschäden zu verbessern.
Der Artikel beschreibt das Thema aus niederländischer Perspektive in einem europäischen Kontext und kann für weitere Diskussionen zu diesem Thema verwendet werden. Die Niederlande scheinen kürzlich von der Schweiz die zweifelhafte Ehre übernommen zu haben, das teuerste Land für Schleudertraumata zu sein. Darüber hinaus kämpft die niederländische Versicherungsbranche seit vielen Jahren mit den rechtlichen und medizinischen Aspekten dieser Art von Schadensfällen, was sich negativ auf ihren Ruf auswirkt. Aus diesem Grund hat PIV das Thema explizit auf seine Agenda für 2014 gesetzt“. (Red)

CEA-Vergleichsstudie zu Schleudertrauma 2004
Im Jahr 2004 führte das CEA (Comité Européen des Assurances) eine Vergleichsstudie zu Behauptungen über geringfügige zervikale Traumata durch.1 Hintergrund dieser Studie war ein starker Anstieg der Zahl der seit 1999 bei den europäischen Kfz-Versicherern gemeldeten Schäden an Halswirbelsäulenverletzungen. An der Studie nahmen zehn Länder teil, darunter die Niederlande und die Schweiz.

„Minor cervical Trauma“ wurde definiert als eine Verletzung des Halses, verursacht durch einen Beschleunigungs- / Verzögerungsmechanismus ohne neurologische Komplikationen und ohne erkennbare Verletzungen von Strukturen wie Knochen, Nerven, Bändern und Bandscheiben. In den Niederlanden und Großbritannien wird es als Schleudertrauma bezeichnet, im deutschsprachigen Raum als Schleudertrauma oder Trauma der Halswirbelsäule (HWS) und in Frankreich als Coup du lapin (nach Larousse: „scharfer Schlag auf den Hals“) oder Coup du Fouet.

Die folgende Tabelle zeigt, dass die durchschnittlichen Kosten für einen Whiplash-Schaden in der Schweiz mit rund 35’000.00 € mit Abstand am höchsten sind. An zweiter Stelle folgen mit 16.500,00 € die Niederlande, gefolgt von Großbritannien, Frankreich und Deutschland. In diesen Ländern sind die Kosten mit durchschnittlichen Entschädigungssummen von 2.500,00 € bis 3.000,00 € deutlich niedriger. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass Schleudertraumaschäden in der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien einen viel höheren Prozentsatz der jährlichen Gesamtkosten von Personenschäden ausmachen als in Deutschland und Frankreich. Der hohe Prozentsatz im Vereinigten Königreich ist auf eine hohe Inzidenz relativ geringer Schäden zurückzuführen.2

Anteil des zervikalen Traumas an den Gesamtkosten von Personenschäden (%)

Durchschnittliche Kosten pro Schadensfall bei zervikalen Traumata

Schweiz

40.0

35,000

Deutschland

9.0

2,500

Finnland

13.0

1,500

Frankreich

0.5

2,625

Niederlande

40.0

16,500

Großbritannien

50.0

2,878

Die CEA-Umfrage wurde vor einiger Zeit durchgeführt und seitdem nicht mehr wiederholt. Eigene persönliche Erfahrungen und die anderer niederländischer Versicherungsunternehmen legen nahe, dass die Situation heute mehr oder weniger unverändert ist. Im Falle eines Schleudertraumas gehen Großbritannien, Frankreich und Deutschland von einer Symptom– und Arbeitsunfähigkeitsperiode von höchstens einigen Monaten aus – eine Annahme, die auf einem medizinischen Gutachten beruhen kann oder auch nicht. Nur in den Niederlanden und bis vor kurzem auch in der Schweiz ist es anerkannt, dass ein Schleudertrauma zu einer dauerhaften Behinderung führen kann. Dies führte zu teuren Ansprüchen in Bezug auf zukünftige Verdienstausfälle, dauerhaften Bedarf an Haushaltshilfe usw.
In der Schweiz gab es in letzter Zeit einige bemerkenswerte Gerichtsentscheidungen, die eine drastische Änderung der Situation von Schleudertrauma-Ansprüchen bewirkt haben.

Die Situation in der Schweiz
Historische Perspektive
Bis vor kurzem galt das Urteil des Bundesgerichts von 1991 als einschlägige Rechtsprechung.3 In diesem Urteil ist das Bundesgericht zu dem Schluss gekommen, dass, wenn bei einem Kläger nach einem Unfall ein Schleudertrauma diagnostiziert wurde und er die typischen Symptome einer solchen Verletzung aufweist, von einem kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfall und diesen Symptomen ausgegangen werden kann. Als typische Symptome werden genannt: Diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrationsprobleme, Übelkeit, Müdigkeit, Sehstörungen, Reizbarkeit, Depressionen, Charakterveränderungen usw.4

Dieses Urteil war die Rechtsgrundlage für die Regelung aller Schleudertrauma-Ansprüche in der Schweiz. Es war nicht erforderlich, objektive medizinische Beweise für einen Schleudertraumaanspruch vorzulegen; Ausreichend war der Nachweis, dass nach dem Unfall medizinische Hilfe von einem Hausarzt oder einer & E-Abteilung in Anspruch genommen wurde und Schleudertraumasymptome (HWS, Schleudertrauma) diagnostiziert wurden. Die Schweizer Sozialversicherer würden diese Feststellungen in der Regel übernehmen und fast automatisch eine Invalidenleistung erhalten. Wie in den Niederlanden gibt es in der Schweiz ein Sozialversicherungssystem, das monatliche Leistungen für Personen umfasst, die aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit nicht arbeiten können. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit infolge eines Verkehrsunfalls, der von einem anderen Autofahrer verursacht wurde, fordern die Sozialversicherer diese Leistungen von den Haftpflichtversicherern ein. Entschädigung für persönliche Verluste und Schmerzen & Der leidende Antragsteller erhält direkt von diesen Versicherern.5 Die Beurteilung der Invalidität durch die Sozialversicherer war ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit des Forderungsübergangs und des Anspruchs auf Personenschäden im Zusammenhang mit der streitigen Invalidität.

Kritik aus Wissenschaft, Versicherungswirtschaft und Gesellschaft
Das Urteil des Bundesgerichts wurde sofort kontrovers diskutiert. Als die Zahl der Ansprüche gegen Sozial– und Haftpflichtversicherer dramatisch zunahm, kam es zu vielen – manchmal hitzigen – Debatten. Vorreiter in diesen Diskussionen war unter anderem der Rechtsanwalt Rolf P. Steinegger, der überwiegend Haftpflichtversicherer vertrat. Er war der Meinung, dass das Urteil die Schleusen einer „Schleudertrauma-Industrie“ von kommerziell interessierten Ärzten, Therapeuten und Anwälten öffnete, die das Schweizer Sozialversicherungssystem ruinieren würde. Andere sprachen von der Schweiz als „Schleudertrauma Paradies“, wo die durchschnittliche Auszeichnung für eine solche Verletzung war 23 mal höher als in Finnland.6 Diese Aussagen basierten offenbar auf der CEA-Studie von 2004, ebenso wie das Argument, dass selbst die Niederlande, die an zweiter Stelle standen, nur halb so viel Entschädigung zahlten wie die Schweiz. Als weitere negative Auswirkung des Urteils wurde die rasant wachsende Zahl behinderter Menschen genannt, die stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen würden. Aus Wissenschaftskreisen kam unter anderem Kritik von Professor Erwin Murer, Arbeits– und Versicherungsrechtsprofessor an der Universität Freiburg, der argumentierte, die Bezahlbarkeit des Sozialsystems sei in Gefahr. Im Jahr 2005 zahlten Schweizer Kfz-Versicherer schätzungsweise 500 Millionen € pro Jahr für Schleudertraumaschäden.7

Änderungen seit 2008
Das Urteil von 1991 galt bis 2008. Seitdem hat das Bundesgericht in mehreren Urteilen von den 1991 aufgestellten Grundsätzen Abstand genommen.8
Das erste Urteil in dieser Reihe war das des Bundesgerichts vom 19.Februar 2008.9 Es handelte sich um einen Forderungsübergang von Sozialversicherungsträgern nach einem Unfall eines Versicherten mit Schleudertrauma. Das Gericht entschied überraschend, dass es keine Invaliditätsansprüche mehr akzeptieren würde, wenn es um Symptome geht, für die keine objektiven medizinischen Beweise vorliegen. Das Urteil hat die Gründe für diesen plötzlichen Meinungswechsel nicht eindeutig dargelegt. Sie bezog sich jedoch ausführlich auf die Diskussionen über das Thema in der medizinischen und juristischen Literatur und in der Presse. Darüber hinaus erwähnte das Urteil ausdrücklich ein weiteres Argument der Gegner des „alten“ Regimes, die argumentierten, dass das System ohne objektive medizinische Beweise „Missbrauchspotenzial“ biete.

Seit 1991 folgten Haftpflichtversicherer fast automatisch den Sozialversicherern bei der medizinischen Beurteilung von Invalidität. Nach dem Urteil von 2008 dachten sie, jeder Schleudertrauma-Anspruch könne jetzt einfach zurückgewiesen werden. Dies führte 2010 zu einer neuen Gerichtsentscheidung in einem anderen Fall. Schweizer Gerichte verwenden ein System des „adäquaten Kausalzusammenhangs“, um einen Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall, den angeblich erlittenen Verletzungen und der Behinderung, für die Leistungen beansprucht werden, herzustellen. Wenn ein Kausalzusammenhang gemäß den Kriterien des Systems hergestellt würde, hätte der Antragsteller Anspruch auf eine Invaliditätsleistung. Das Bundesgericht kam nun zu dem Schluss, dass zwar der Verursachungsgrundsatz sowohl in der Sozialversicherung als auch in der zivilrechtlichen Haftung gleich ist, die Beurteilungskriterien jedoch unterschiedlich sein können, da in der zivilrechtlichen Haftung „Angemessenheit und Fairness“ die Grundlage des Systems bilden. Dies bedeutet, dass ein Kläger in einem Haftpflichtfall unter Umständen erfolgreicher sein kann als in einem Verfahren gegen seine Sozialversicherer. In einem anderen Fall im selben Jahr hat der Oberste Gerichtshof jedoch klare Einschränkungen und Einschränkungen festgelegt.10 Der Gerichtshof argumentierte, dass eine Schleudertraumaverletzung grundsätzlich nicht zu einem Anspruch auf eine langfristige oder dauerhafte körperliche Beeinträchtigung führen kann und die Kriterien für die Beurteilung medizinischer Beweise im Falle eines Schleudertraumas streng sein werden.

Die Folgen dieser Änderung waren erheblich: In der alten Situation hätte der Besuch Ihres Hausarztes nach einem Unfall, bei dem typische Schleudertraumasymptome als Grund für die Arbeitsunfähigkeit genannt wurden, Sie mehr oder weniger automatisch zu Invaliditätsleistungen berechtigt. Und da die Haftpflichtversicherer der Einschätzung der Sozialversicherer folgen würden, könnten Sie möglicherweise bis zum Zeitpunkt der Pensionierung zukünftige Verdienstausfälle geltend machen.
In der neuen Situation können Schleudertraumapatienten keine Leistungen aus der Sozialversicherung mehr in Anspruch nehmen und nur dann erfolgreich eine Entschädigung von einem Haftpflichtversicherer verlangen, wenn sie den medizinischen Nachweis der Verletzung vorlegen können. Darüber hinaus müssen diese Nachweise strengen Anforderungen genügen, und häufig ist eine multidisziplinäre medizinische Beurteilung erforderlich. Möglicherweise sind medizinische Untersuchungen aus nicht weniger als sechs verschiedenen Disziplinen erforderlich, darunter ein Psychologe, ein Neuropsychologe, ein Reumatologe, ein Internist, ein Neurologe und ein Psychiater. Diese medizinischen Sachverständigen dürfen nur auf der Grundlage ihrer eigenen Fachkenntnisse Befunde melden und müssen eine klare und objektive Motivation angeben, wenn sie der Meinung sind, dass es sich um eine bleibende Verletzung handelt, während keine objektiven Befunde vorliegen. Strenge Regeln und Kriterien für solche Prüfungen wurden seit 2008 in mehreren anderen Urteilen ausgearbeitet und ausführlich beschrieben.11

Die Schweizer Personenschadenindustrie wurde durch diese Veränderungen seit 2008 natürlich schwer geschädigt. Anwälte für Personenschäden, Rehabilitationszentren und Therapeuten haben einen wesentlichen Teil ihres Geschäfts verloren und suchen nun nach alternativen Geschäften. Nachrichten aus der Versicherungsbranche deuten darauf hin, dass sich der Fokus nach der „Whiplash Culture Episode“ nun auf Burn-Outs verlagert, da die Zahl der Fälle, in denen eine solche Krankheit diagnostiziert wurde, seit 2010 rapide zunimmt. Die Symptome eines „Burn-Outs“ sind denen eines Schleudertraumas sehr ähnlich und werden von den Sozialversicherungen immer noch für die Inanspruchnahme von Invaliditätsleistungen akzeptiert.12

Fazit
Eine Aktualisierung der CEA-Umfrage wird wahrscheinlich zeigen, dass die Niederlande an der Spitze der Tabelle stehen und den Spitzenplatz von der Schweiz übernehmen, die in Europa die höchste Entschädigung in Schleudertraumafällen bietet. Dies ist ein wichtiges Anliegen für die niederländische Versicherungsbranche, die eifrig nach Lösungen in anderen Ländern sucht.

  1. Ansprüche auf geringfügige zervikale Traumata. In: CEA 2004.
  2. The AXA Whiplash Report of July 2013. In this report, AXA provides detailed information on the practice in the UK and the problems it creates for the affordability of the system.
  3. BGE 117V 359 and Verscharfte Schleudertrauma-Praxis – Stiefe Bise von vorne oder Hinten. Rolf Steinegger HAVE 4-2010.
  4. „Beschwerden wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, Wesensveränderung usw.“.
  5. Coupe du Lapin, évolution de la jurisprudence. Alex Fischer Dekra CH 11-1-2013.
  6. Die Schleudertrauma-Industrie. Rolf Steinegger Die Bund 17-3-2011.
  7. „Störung der Krankheitsindustrie“. Jorg Stiener, 25/9/2010, Berner Zeitung. This article contains several quotes of Professor Erwin Murer.
  8. „Wichtige Entscheide im Haftpflichtrecht“. Bruno Haflicher Pladöyer 5/12.
  9. BGE 134V109.
  10. BGE 136V279.
  11. Die gerichtlichen Vorgaben an polydisziplinäre Gutachten bei Schleudertraumen und äquivalenten Verletzungen. Thomas German und andere, 2010.
  12. So der Journalist Jörg Steiner in seinem unter 5. genannten Artikel.

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